WEG-Recht: Darf ein einzelner Wohnungseigentümer Schadensersatz einklagen?

Keine Frage: Wenn jemand mit einem unerlaubt hohen Gebäude die schöne Aussicht der Eigentumswohnung verbaut, ist das eine empfindliche Wertminderung für deren Eigentümer. Kann der betroffene Wohnungseigentümer jetzt auf eigene Faust die Beseitigung des zu hohen Hauses oder Schadensersatz einklagen? Oder muss die Eigentümergemeinschaft handeln?

Wie kommt ein Eigentümer an Schadensersatz, wenn die schöne Aussicht vom Balkon verbaut wurde?

Keine Frage: Wenn jemand mit einem unerlaubt hohen Gebäude die schöne Aussicht der Eigentumswohnung verbaut, ist das eine empfindliche Wertminderung für deren Eigentümer. Kann der betroffene Wohnungseigentümer jetzt auf eigene Faust die Beseitigung des zu hohen Hauses oder Schadensersatz einklagen? Oder muss die Eigentümergemeinschaft handeln?

Karlsruhe. Ein einzelner Wohnungseigentümer kann auf eigene Faust Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche vor Gericht geltend machen, wenn sein Sondereigentum beeinträchtigt ist. Das gilt auch nach der WEG-Reform vom Dezember 2020, welche die Klagebefugnisse neu geordnet hatte und selbst dann, wenn auch das Gemeinschaftseigentum betroffen ist. Für Schadensersatz gilt das allerdings nicht: Den kann nur die Gemeinschaft einklagen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich entschieden hat (Urteil vom 11.06.2021, Az.: V ZR 41/19).

Das Urteil fiel im Prozess um eine Eigentumswohnung in Hamburg, direkt an der Elbe. In der Teilungserklärung von 1973 war festgehalten worden, dass das Grundstück mit einem Mehrfamilienhaus und einem Einzelhaus bebaut werden sollte. Dabei sollte das Einzelhaus mit zum Sondereigentum eines Wohnungseigentümers aus dem Mehrfamilienhaus gehören. Außerdem wurde festgelegt, das Einzelhaus dürfe eine Höhe von 56,40 Metern über N.N. nicht überschreiten. Man errichtete zunächst jedoch nur das Mehrfamilienhaus.

Nachbar verbaute Eigentümer die schöne Aussicht

Pläne zum Bau des Einzelhauses scheiterten zunächst, weil die Eigentümergemeinschaft nicht zustimmte. Erst im Jahr 2012 ließ der neue Eigentümer der Wohnung, zu deren Sondereigentum auch das Einzelhaus gehören sollte, das Einzelgebäude tatsächlich errichten. Eine Baugenehmigung dafür hatte er eingeholt. Allerdings war ein Bewohner des Mehrfamilienhauses damit nicht einverstanden: Nach seiner Auffassung war das Einzelhaus zu hoch geraten. Es verbaute ihm seine Aussicht auf die Elbe.

Er errechnete daraus eine Wertminderung seiner Wohnung um 55.000 Euro und wollte diesen Schaden von seinem Nachbarn ersetzt haben. Der Wohnungsbewohner ist Nießbraucher der Wohnung, die im Eigentum seiner Tochter steht. Der Mann klagte als Prozessstandschafter im Namen seiner Tochter auf Schadensersatz. Er scheiterte in allen Instanzen, letztlich auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Die Karlsruher Richter entschieden, dass es der Eigentümerin hier gar nicht zustand, vor Gericht Schadensersatz einzuklagen. Sie wiesen die Klage als unzulässig ab.

Einzelner Wohnungseigentümer darf nicht selbst Schadensersatz einklagen

Eine solche Klage hätte nur die Wohnungseigentümergemeinschaft anstrengen können, nicht jedoch ein einzelner Sondereigentümer. Nur die Gemeinschaft habe das Recht, auf eine Beseitigung der Störung des Sondereigentums zu verzichten und stattdessen Schadensersatz zu verlangen. Eine Beseitigung der Störung – also einen zumindest teilweisen Abriss des Einzelhauses – hätten die Betroffenen hier also selbst einklagen können. Vorausgesetzt natürlich, das Gericht wäre zu dem Schluss gekommen, dass das Einzelhaus wirklich zu hoch geraten ist.

Das wollte der Vater der Eigentümerin hier jedoch bewusst nicht. Er nahm die verbaute Aussicht hin und klagte nur auf Schadensersatz. Den kann ein einzelner Wohnungseigentümer jedoch nur dann für sich einfordern, wenn er eine unzumutbare Einwirkung ertragen muss, die nicht abgewehrt werden kann. Das war hier gerade nicht der Fall. Verzichtet der Wohnungseigentümer jedoch wie hier von sich aus auf eine Abwehr der Störung, kann er keinen Schadensersatz einfordern.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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